Eine „selfsupported“ Radtour von Hamburg nach Skagen…
und zurück. Im März!
Wie kommt man auf die Idee, da mitzufahren?
Tja, ich habe auf Twitter innerhalb kurzer Zeit von mehreren Leuten gelesen, dass sie dort (wieder) mitfahren.
Nach dem Stöbern auf der Transcimbrica Webseite dachte ich mir, warum es nicht mal versuchen? Etwas leidensfähig bin ich schließlich, und die Strecke und das Ziel sind sehr reizvoll.
Also:
- Urlaub geklärt - eigentlich ein Problem, wegen Rechenzentrums-Umzug, aber doch frei bekommen
- Angemeldet als 96ster - ich wundere mich immer, wie viele „Verrückte“ es gibt ;-)
Vorbereitung auf die Transcimbrica - Tag 0
Durch Arbeitsstress bestanden die Vorbereitungen eigentlich nur aus Radsachen shoppen und eine Kurzrunde von etwa 60 km (leichter Regentest) und einer etwas längeren mit 135 km, die aber ein sehr guter Regentest war, weil es auf ¾ der Tour durchgängig regnete. Da fielen auch die Handschuhe im Test durch - dazu später mehr.
Am Samstag, den 07.03. um 00:01 Uhr sollte es losgehen - zum Glück hatte ich den Freitag frei, den ich auch brauchte, um zu packen.
Aus Platzgründen entschied ich mich für den kompakteren Schlafsack (was nicht die beste Idee war), bestückte die neue Handlebar, eine kleine Packtasche (hinten) und eine Packrolle - die sogenannte Popo-Rakete.
Was sich bewährt hat und was nicht steht ganz unten.
Und los geht’s - Tag 1
Ich schaffte es gerade pünktlich zum Start (nur fünf Minunten davor) beim Café Timeless einzutrudeln, also fix drei Leute begrüßt, die ich kannte (bzw. über Twitter lese), Pipi machen und schon ging’s los. Hatte noch nicht mal Zeit, den Track auf’n GPS-Gerät zu aktivieren. Das war aber kein Problem, weil wir zuerst in einem großen Pulk fuhren.
Hier die Route der Gesamtfahrt:
In dem Pulk kamen wir gut voran. Zwischenzeitlich war es etwas hakelig, als ich bei einer Spurbahn von eben der Spur gekommen bin. Der Boden umher war durch das langanhaltende Regenwetter vorher total aufgeweicht und so schlingerte ich wieder zurück und bekam das Rad zum Glück wieder unter Kontrolle.
Irgendwo hinter Borsfleth ließ ich den Pulk fahren, um eine Pinkelpause einzulegen. Auch die Handlebar musste ich umbauen - hier rächte es sich, dass ich damit nicht vorher geprobt hatte. Wenn die Handlebar unten hing, konnte ich nicht schalten, weil die Schaltgriffe gegen die Tasche stießen, und wenn ich sie nach oben drehte, waren die Handpositionen am Lenker stark eingeschränkt und die Tasche drückte auf die Hände.
Die Handlebar wanderte nach hinten an den Gepäckträger und störte erst den runden Tritt - also noch etwas weiter nach hinten.
Hier wäre eine zweite Satteltasche wesentlich praktischer gewesen.
Dann ging’s alleine weiter und in Heiligenstedten musste ich meinen ersten Platten (vorne) flicken. Dafür bewährte sich die Stirnlampe.
Kurz vor der Grüntaler Hochbrücke gab’s eine Überraschung - es gab Support! Heißen Kaffee/Tee und nicht mehr ganz heiße Würstchen wurden serviert - klasse!!
Während wir dort standen, kam ein Radfahrer von der Brücke zurück, um uns dankenswerterweise zu warnen, dass die Brücke sauglatt ist durch den Nachtfrost. So schoben wir kurz danach über die Brücke (KM 95) und machten unser gefordertes Beweis-Selfie.
Es war inzwischen 05:20 Uhr und nach der Brücke fuhren wir zu dritt weiter. Morgens kamen wir bei einem Bäcker vorbei, wo erstmal Kaffee und Käsebrötchen angesagt waren - die Verkäuferin wunderte sich etwas über die Menge an schrägen Radfahrern so früh am Morgen.
Bis Husum fuhr ich dann wieder alleine und gönnte mir im Café „Tante Jenny“ ein schönes Frühstück mit zwei alkoholfreien Weizen. Klaus und Andreas, zwei Mitradler kamen auch noch in’s Café. Kurz nach 11 Uhr machte ich mich dann wieder auf den Weg Richtung Norden. Das Essen und die Pause gaben erstmal wieder Power, trotzdem entschloss ich mich, da ich sowieso die Nächte vorher viel zu wenig geschlafen hatte (3 + 5 Stunden), in Ribe in der Jugendherberge zu nächtigen.
Die Strecken, die dann kommen, sind mir durch den Husumer Radmarathon in Teilen bekannt. Vom Wind her hatten wir es ganz gut, meistens eher nur westlicher Seitenwind. Auf den Wiesen war so einiges an Vögeln zu sehen und zu hören - jede Menge Gänse, aber auch schon Störche (zwei Paare habe ich gesehen) und die ersten Lerchen waren immer wieder zu hören.
An der Grenze ist der zweite Track abgefahren und das Wahoo, bzw. die App, verweigert das Laden des nächsten Tracks… super!
Also versuchte ich mich vom Navi nach Ribe leiten zu lassen, was nach dem zweiten Anlauf auch funktionierte… allerdings nur bis 26 km vor’m Ziel - dann hing die Navigation komplett. Der Weg war jetzt nicht so schwierig und wurde per OsmAnd-App dann erledigt.
In der Jugendherberge konnte ich die durchgeschwitzten Klamotten trocknen und bin recht schnell eingeschlafen.
Tag 2
Am nächsten Morgen dort gut gefrühstückt und wieder zurück zum Track.
Der Wind hatte in der Nacht gedreht und war jetzt ein kräftiger Antreiber aus Süd - sorgte für Super-Vorankommen.
Kurz hinter Esbjerg hatte ich meinen nächsten Platten (hinten), und es war schon fast schwierig bei dem Wind zu hören, wo der Schlauch Luft verliert.
Kurz danach wurde es feucht - aber immerhin mit Rückenwind.
An dem Tag nutzte ich den Wind länger aus und fuhr bis abends gegen 22 Uhr. Als ich dann eine baufällige Bushaltestelle am Wegesrand sah, nutzte ich diese als Unterkunft.
Was soll ich sagen, die Jugendherberge war deutlich komfortabler, aber die Luft war hier frischer (ok, der etwas entfernte Schweinestall störte leicht…).
Für’s Übernachten hatte ich ein „Ganzkörperkondom“ von Helly Hansen, aus meiner damaligen Polarausrüstung, und ein zusätzliches Langarm-Wollshirt dabei. Dadurch konnte ich die nassen Sachen in der Bushaltestelle aufhängen (wurden nicht wirklich trocken über Nacht) und trocken in den Schlafsack. Der Schlafsack war für Männer bis +1°C angegeben, aber hier hätte ich lieber meinen „richtigen“ Winterschlafsack mitnehmen sollen. Dadurch, dass ich recht ausgepowert war, fror ich doch deutlich, und auch noch später in der Nacht war es nicht richtig kuschelig.
Morgens war ich kurzzeitig am Überlegen, die trockenen Klamotten als Basis-Layer anzubehalten, aber habe mich zum Glück dagegen entschieden. Die strikte Trennnung von trockenen und durchschwitzbaren Radklamotten war sehr wichtig.
Der Schlafsack dagegen war von der Nacht recht feucht - Tau und eventuell begünstigt durch zwei fehlenden Dachschindeln.
Tag 3
Also in die nassen Sachen, alles packen und los.
Irgendwann in einem Dorf einen Bäcker entdeckt und dort ein sehr leckeres belegtes Vollkorn-Sandwich (hier würde es Baguette heißen) und einen Kaffee gekauft. Leider konnte man nicht in der Bäckerei essen.
Der Wind hatte etwas gedreht und kam jetzt mehr von West, was ok war. Das Wetter war in Ordnung, und ich kam ganz gut voran.
Insgesammt hat die Großwetterlage auch in Dänemark für ausreichend Regenfälle gesorgt, wie das Bild dieser Wasserschaukel zeigt:
In Fjerritslev habe ich mir zu Mittag dann eine schöne Pizza mit einem „richtigen“ Bier gegönnt (macht ganz schön müde) und als ich losfahren wollte, entdeckte ich den Platten (hinten)… Hmm, jeden Tag einen Platten! Also geflickt und weiter.
Kurz danach riss leider ein Schaltzug, so dass ich mit der Speedbox die Rohloff nur in leichtere Gänge runter schalten konnte, aber nicht wieder hoch. Zum Glück lässt sich einfach der Gang mit einem 8er Schlüssel wählen, und so ging es als Singlespeed weiter.
Mit den Nachteilen eines Singlespeeds (Knie verhunzen am Berg, tottrampeln runter) und ohne den Vorteil (leicht).
Zwar hatte ich einen Ersatzseilzug dabei, aber keine Zange zum Ablängen, die bei der Speedbox leider notwendig ist.
Nach einiger Zeit verpeilte ich eine Abfahrt und schloss dadurch wieder zu Klaus und Andreas auf, die die Abbiegung mitbekommen haben. Sie fuhren ein angenehmes Tempo, und wir sind eine längere Strecke zusammen gefahren und haben uns dabei auch gut unterhalten.
Diese Nacht wollte ich in einer Jugendherberge in Hjørring nächtigen, währen Klaus und Andreas etwas unentschlossen waren. So fuhr ich alleine vor zum Checkpoint 3 für das obligatorische Selfie am Rubjerg Knude Leuchtturm (übrigends das erste Selfie bei Tageslicht).
Auf dem Rückweg traf ich wieder auf die beiden. Sie wollte aber checken, ob die Jugendherberge auf hatte, während ich dachte, ich fahre einfach mal hin.
Tja, die Jugendherberge war inzwischen von einem Sportverein übernommen und ab 16 Uhr geschlossen… war also auch nicht der beste Ansatz.
In der Stadt ein Hotel gesucht und dort auch einen Platz bekommen, was auch eine schöne Übernachtung, aber nicht die günstigste, war.
Skagen - Tag 4
Nach dem Frühstück ging es wieder zurück auf den Track und auf schönen Wegen mehr oder weniger dicht entlang der Küste (die Bäume am Rand sind zum Teil mit Moos und Flechten bewachsen).
Kurz nach einem Fotostopp traf ich wieder auf Klaus und Andreas und drei weitere, die gerade zurückkamen, weil der Weg durch den Westwind und das Meer unpassierbar war. Wir mussten ein gutes Stück zurück. Die anderen versuchten noch ein Nebenweg von fragwürdiger Beschaffenheit als Abkürzung zu nehmen, aber das habe ich mir geklemmt, weil mein GPS-Gerät auch zeigte, dass es dort sowieso nicht rüber ging. Dadurch fuhr ich einen kleinen Vorsprung raus, bekam aber immer deutlicher ein Hungergefühl.
In Richtung Skagen wehte der Wind zum Teil nicht mehr immer von hinten und gab schon mal ein Gefühl dafür, wie es auf dem Rückweg mit Gegenwind werden würde.
In Skagen wollte ich die erste Pizzaria entern, aber es dauerte etwas, bevor ich zum Glück eine in einer Nebenstraße entdeckte.
Die Pizza dort war absolute klasse und auch die zwei großen alkoholfreien Biere dazu haben mir gut gemundet.
Gestärkt ging es dann nach Grenen - die Spitze, wo sich Nord- und Ostsee treffen. Mein persönliches Ziel der Reise. Das Wetter könnte man auch als mies bezeichnen, windig mit Regen.
Auf dem Strand kamen mir einige Radler entgegen - die Truppe von vorhin mit Klaus und Andreas, die keine Zeit mit einem Mittagessen vertrödelt hatten. Das war mir aber recht egal. So ging erst an einem Heuler vorbei zur Spitze, wo ich das wichtigste Selfie gemacht habe und auch den Schnaps probiert habe, den es beim Start gab.
Auf dem Weg zurück - bereits auf der Straße - realisierte ich erst richtig, dass ich es tatsächlich geschafft hatte und war zu Tränen gerührt.
Wegen der Wetterlage dachte ich, ich mach’s heute gemütlich und gehe in die Jugendherberge in Skagen. Also dort hin, um zu erfahren, dass sie geschlossen ist, weil es kein Wasser und keine Wärme gab.
Und nun? Inzwischen war ja Dienstag und am Donnerstag feierten meine Eltern Eiserne Hochzeit. Deshalb beschloss ich, einfach bis Aalborg zu fahren - ich war ja durch die Pizza gestärkt - und dort mit dem ersten Zug am Mittwoch nach Hause zu fahren.
Die Strecke nach Aalborg zog sich dann ziemlich, durch Regen, Gegenwind und Schlammwege im Dunkeln. Die Schlammwege wurden mir irgendwann zu heikel und ich lies mir den Track nach Aalborg vom GPS-Gerät errechnen. Die Auswahl über die Karte ist „pain in the ass“ und das Gerät startete zweimal neu beim Routenberechnen, bevor es mir eine plausible Route anzeigte, aber sinnigerweise in die falsche Richtung dirigieren wollte. Zum Glück war ich mir über die Richtung recht sicher (bin trotzdem zuerst gewendet) und irgendwann passten mein Richtungsgefühl und die Richtungsangabe am Gerät auch überein.
Wenn man im Dunkeln bei Schmuddelwetter an den erleuchteten Häusern vorbei fährt, sehen diese zum Teil sehr gemütlich aus - was die Dänen als hyggelig bezeichnen. Großzügig mit warmen Licht beleuchtet und gut einsehbar, weil die Fenster gewöhnlich keine Gardinen haben.
Auf der Strecke habe ich noch einmal einen Platten gehabt, aber keinen Splitter im Mantel gefunden und deshalb den Schlauch getauscht - später wieder Luftverlust, also aufpumpen und dann danach in einem Bushaltehäuschen den Mantel gewechselt und noch mal geflickt - am Tag 4 außerhalb der Reihe zwei Platten.
Durch den Gegenwind auf zum Teil freier, topfebener Strecke und dem Singlespeed habe ich teilweise geschoben - wissentlich, dass es kein Problem ist, weil die nächste Zugmöglichkeit sowieso erst morgens ist. In Aalborg (recht fertig) angekommen, musste ich feststellen, dass der Bahnhof (also die warme, windgeschützte Wartehalle) leider abgeschlossen ist. Ebenso die Toiletten.
Auch die Toiletten im Park waren dicht - Winterpause! Der Däne scheint im Winter kein Klo zu brauchen…
Tag 5
Am Automaten habe ich mir dann ein Ticket bis Padborg (Flensburg war nicht auswählbar) gezogen und den ersten Zug um 4:46 Uhr genommen.
So kam ich mit Umsteigen in Federicia und Flensburg gegen 14 Uhr wieder zu Hause an.
Insgesammt war es eine super Tour! Auch wenn ich nur 855 km der 1371 km insgesamt zurückgelegt habe.
Taugt und Taugt nicht
Taugt
Schuhe Mavic Crossmax SL Pro Thermo - wirklich komplett wasserdicht, fallen klein aus (eine Nummer größer bestellen) und sind vorne für mich etwas schmal, aber sonst absolut top!
Regenhose + Jacke von Vaude
Popocreme: Chamois Creme von Ossos
Sturmhaube von Helly Hansen
Nitecore Stirnlampe NU25
Merino-Layer: Langarm Wollhemd + Langarm Trikot (darüber einen dickeren Fleece)
Taugt meistens
Wahoo Element Roam - feines Ding, wenn er funktioniert… nach längerer Benutzung spackt der Roam gerne mal rum. Hält wirklich lange mit’m Akku und kann auch während der Fahrt nachgeladen werden (was ich nicht brauchte)
Taugt nicht
Poncho - war aber auch zugegeben ein Notbehelf, weil ich es zeitlich nicht mehr hinbekommen habe, mir eine zusätzliche Regenjacke zu kaufen.
CHIBA Dry Star Superlight Winterhandschuhe - nennen sich 100% wasserdicht, was leider nicht stimmt. Allerdings muss ich sagen, dass sie besser (und günstiger) sind als die angeblich 100% wasserdichten von Sealskinz - da ließ der erste bereits nach 20 Minuten Wasser rein.